Warum die FDP jetzt mehr braucht als gute Ratschläge
Der Wiedereinzug in den Bundestag ist verpasst. Für die Freien Demokraten ist das mehr als eine Wahlniederlage – es ist ein Einschnitt, der eine unbequeme Wahrheit offenlegt: Eine Partei, die einmal für bürgerliche Vernunft stand, hat ihr Profil so weit aufgeweicht, dass sie in der Mitte kaum noch unterscheidbar war.
Viele Liberale trösten sich mit dem Satz, man habe in der Koalition „die Stimme der Vernunft“ vertreten. Doch das ist eine Selbstbeschreibung, keine Strategie – und außerhalb der eigenen Reihen überzeugt sie niemanden. Politische Relevanz bemisst sich nicht an Durchhalteparolen, sondern daran, ob Wähler noch erkennen, wofür eine Partei steht. Und genau das ist verloren gegangen.
Die FDP hat sich in Regierungsverantwortung zwischen Koalitionstreue und Selbstbehauptung aufgerieben – und dabei nicht nur Stimmen, sondern Richtung verloren. Wer zu lange vermittelt, wirkt irgendwann austauschbar. Und wer auf allen Seiten Kompromisse schließt, verliert am Ende das, was ihn einmal ausgezeichnet hat: eine eigene Handschrift. Das ist keine Abrechnung mit denen, die Verantwortung getragen haben. Viele haben es mit großem persönlichen Einsatz getan. Aber Loyalität ersetzt kein Profil. Und Profil entsteht nicht im Rückblick, sondern durch eine klare Vorstellung davon, wofür man künftig auch gegen Widerstände steht.
Der Weg zur Erneuerung wird hart. Er verlangt Zeit, Disziplin und eine Vision, die größer ist als das nächste Umfrageziel. Es wird Phasen geben, in denen Entscheidungen unpopulär sind, interne Debatten schmerzen und Zustimmung ausbleibt. Wer Liberalismus ernst nimmt, muss diesen Weg trotzdem gehen – auch dann, wenn er nicht sofort belohnt wird.
2013 hat die FDP schon einmal gezeigt, dass sie zurückkommen kann. Damals gelang das durch Selbstkritik, Geschlossenheit und den Willen, Liberalismus wieder als Haltung zu leben. Heute wäre ein bloßes Wiederholen dieses Musters zu wenig. Die Entfremdung ist tiefer, die politischen Ränder stärker, die Mitte härter umkämpft.
Führung in dieser Lage bedeutet nicht, die lautesten Parolen zu finden, sondern die Richtung zu kennen – und sie zu halten, auch wenn es unbequem wird. Eine liberale Partei gewinnt Vertrauen nicht durch Empörung, sondern durch Urteilsvermögen. Nicht durch Reflexe, sondern durch Haltung.
Die FDP kann zurückkommen – aber nur, wenn sie aufhört, sich selbst zu schonen. Klarheit ist keine Stilfrage, sondern eine Überlebensfrage. Wer jetzt nach dem leichten Weg sucht, sollte ehrlich sein: Für eine liberale Partei gibt es ihn nicht. Wer Liberalismus will, muss ihn leben – gerade dann, wenn es schmerzt.

