Warum politische Auseinandersetzung nicht im Empörungsmodus geführt werden darf.
Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie lebt vom Vertrauen in ihre Institutionen – und vom Engagement der Menschen, die sie tragen.
Wer politische Verantwortung übernimmt, muss sagen können, wofür er steht – und bereit sein, sich daran messen zu lassen. Doch auch der mündige Bürger steht in der Pflicht.
Freiheit setzt Verantwortung voraus: durch Beteiligung, kritisches Mitdenken und den Willen zum Dialog. Demokratie braucht nicht nur Vertreter mit Haltung, sondern auch Menschen, die bereit sind, sie im Alltag zu verteidigen. Leise, standhaft, klar.
Ein anderer Umgang ist nötig
Einigkeit ist nicht Voraussetzung politischer Kultur. Doch wo Auseinandersetzung nur noch im Modus der Empörung geführt wird, geht der Raum für Debatte verloren.
Wer andere niederbrüllt, verhindert Austausch. Wer Ehrenamtliche pauschal verantwortlich macht für politische Fehlentwicklungen, schreckt genau die ab, die Veränderung tragen könnten.
Gerade auf kommunaler Ebene wird das sichtbar: Stadt- und Gemeinderäte geraten zunehmend ins Visier – nicht wegen ihrer Parteizugehörigkeit, sondern weil sie greifbar sind. Weil sie Verantwortung übernehmen. Weil sie sich zeigen.
Beleidigungen, Drohungen und persönliche Angriffe gehören für viele längst zum Alltag – nicht nur im Netz, sondern auch im echten Leben. Das ist keine harte Auseinandersetzung mehr. Das ist der Verlust politischer Kultur.
Nicht der Strafrahmen ist entscheidend, sondern das Klima.
Natürlich braucht es Schutz vor digitaler Hetze. Und ja, § 188 StGB ist gut gemeint. Aber Gesetze allein lösen das Problem nicht.
Im Gegenteil: Wo der Eindruck entsteht, Politiker wollten sich durch Sonderregeln schützen, leidet die Glaubwürdigkeit demokratischer Institutionen.
Entscheidend ist die Frage: Wie wird über Politik gesprochen? Wie über Politiker? Wie über Menschen, die sich engagieren – in Parteien, Initiativen, im Ehrenamt?
Kritik muss möglich sein. Aber sie braucht ein Maß. Wer Verantwortung fordert, muss auch Verantwortung im Ton übernehmen. Nicht jeder Widerspruch ist Hass – aber auch nicht jede Beleidigung ist noch Debatte.
Was zählt, ist demokratische Reife
Was gebraucht wird, ist nicht mehr Moralisierung, sondern mehr demokratische Reife:
Ein politischer Diskurs, der sich nicht in Empörung erschöpft. Eine Gesellschaft, die Kritik nicht mit Verachtung verwechselt. Und ein Umgang, der Haltung zeigt – gerade auch im Streit.
Denn Demokratie beginnt nicht mit Zustimmung. Sondern mit Respekt.